5. Dezember 2023

Mehr Details. Weniger Echtheit.

Warum KI-generierte Details zwar beeindruckend, aber menschliche Erfahrungen per se nicht abbilden können.

Vielleicht habt ihr es ja mitbekommen, es gibt diverse KI Tools, die vorhandene Bilder nicht nur nachschärfen, sondern ganz neue Bilddetails generiert. So wirken sie klarer und echter. Mit dieser Technik kann man beispielsweise alte Fotos, die unscharf und verwaschen aussehen zu neuem, nie dagewesenen Glanz verhelfen. Geiler Use Case.

Gleichzeitig gibt es auch Beispiel-Videos von Nutzern, die zeigen, wie sie beispielsweise das Gemälde von Mona Lisa mit so einem KI-Tool „optimieren“. Da wird dann aus dem Original eine echt aussehende Frau generiert, die in einer ultrahochauflösenden Landschaft sitzt. Lasst uns mal auf dieses Phänomen genauer draufschauen:

Ich sehe ich mindestens 2 Ebenen, die man hier betrachten kann. Einmal die technische Ebene. Ganz klar ist es erstaunlich, was das Tool leistet. Die ganze Arbeit, die Jahrzehnte gedauert hat, um das zu ermöglichen… Die unzählige Anzahl an Stunden, die Menschen investiert haben, damit wir einfach eine nutzerfreundliche Oberfläche haben und per Drag-and-drop ein Bild hochladen und ein paar Regler schieben und Puff: Magic new Image. Crazy. Props geht raus an alle smarten Menschen, die da mitgewirkt haben.

Die andere Ebene ist die menschliche Ebene. Das Erlebnis des Werkes. Wenn wir weiterhin so eine Flut an hochauflösenden KI generierten Bildern bekommen, werden diese sehr schnell ihren Glanz verlieren. Die Bilder werden beliebig und wir sehen uns satt. Mit einem guten Kunstwerk ist das anders. Vera Birkenbihl sagte mal in einem ihrer Vorträge, dass es mit der Arbeit ist wie mit der Physik. Energie geht nicht verloren. Wenn ich in ein was-auch-immer-Werk viel Zeit hineinstecke, dann nehmen Menschen diese Energie wahr. Lasst mich eine kurze Story erzählen, die dieses Phänomen ganz gut in eine Parabel packt:

In Kalkutta holt ein älterer Mann ganz aufwändig Wasser aus einem Brunnen. Er nutzt einen Tonkrug und führt händisch mit einem Seil ganz vorsichtig das Gefäß zum Wasser und wieder hoch. Das beobachtete ein Reisender, der handwerklich begabt ist. Er geht auf den Mann zu und zeigt ihm auf, wie viel schneller und einfacher es geht mit einem Flaschenzugsystem, das ihn weniger Mühe und Kraft kostet. Der alte Mann jedoch lehnt ab. Für ihn fühlt sich das falsch an. Er entgegnet dem Reisenden, dass er Angst hat um die Qualität des Wassers, da wenn er es achtlos und schnell das Gefäß nach oben ziehe, könne das Wasser doch nicht so gut schmecken, wie wenn er fürsorglich und geduldig den Trog rein- und herausholt.

Dieser Gedanke wirkt für die meisten von uns als effizient denkende Europäer erstmals unsinnig. Schneller ist doch besser. Mehr ist doch besser. Detailreicher ist doch besser. Doch so ist es nicht. Es gibt keine Abkürzungen für gute Qualität. Das wird sich meiner Meinung nach auch mit AI nicht ändern.

Warum haben wir alle einen so starken Drang nach Echtheit? Da schließt sich immer gleich die Frage an, was heißt eigentlich „echt“? Diese Frage führt schnell in ein Rabbit hole. Aber folgen wir mal dem Kaninchen für eine Weile. Nicht ganz bis nach unten, aber so ein bissle.

Weniger Details können echtere Phänomene abbilden

Foto von Elena de Soto auf Unsplash

Ein Foto zeigt die Realität, richtig? Darauf können wir uns alle einigen. Doch nehmen wir an, wir haben ein Foto von einer Feier und 2 Menschen schauen auf dieses Foto, die dort waren. Eine Person hat sich dort verliebt und die andere hat eine Schlägerei gehabt und ein Zahn ausgeschlagen bekommen. Wenn diese beiden sich nun das Bild gemeinsam anschauen, so sehen sie das gleiche Bild. Und doch löst das Bild ganz individuelle Emotionen aus. Die Erfahrung ist anders. Die Erfahrungen sind auch echt und im Zweifel sogar echter als das Bild. Echter für die beiden jedenfalls.

Unser Gehirn speichert auch keine fotorealistischen Szenen von Ereignissen oder Menschen ab. Sondern mehr eine Abstraktion. Das heißt, wenn ich drei Kreise und eine Wellenlinie male und sage, das bist du, so ist das diese Abstraktion, die in unserem Gehirn stattfindet. Du kannst dann entgegen, dass du das nicht bist. Jedoch kann könnte es immernoch meine Erfahrung von dir sein, die sich in diesen einfachen geometrischen Flächen präsentieren.

Das heißt, wenn ich meine Erfahrung abbilden möchte, könnte ein Foto nicht meine Realität abbilden. Erst durch die Reduzierung und Abstraktion ist dies möglich. Daher sind beispielsweise die Werke Picassos, die von der afrikanischen Kunst inspiriert sind, mit den großen verschobenen Augen, näher an der Realität als ein Foto. Oder die Art und Weise, wie Van Gogh die berühmte Sonnenblume malte. Er malte sie, wie er sie erlebt hat und dadurch bekommt sie etwas Echtes, das weder ein Foto geschweige denn eine KI nachstellen kann.

Sonnenblumen von Van Gogh

Wenn die zwei von der Party ein Bild malen würden, das für sie den Abend darstellt, so würden wir ihre Erfahrung viel besser wahrnehmen können. Ein Foto hilft da nicht weiter.

Also jetzt habe ich verschiedene Punkte gemacht. Einmal den Punkt, dass Energie nicht verloren geht. Das KI-Mega amazing ist. Und dass wir Fotorealismus überbewerten.

Warum sage ich das? Naja, mir geht es in erster Linie darum, die Grenzen der KI aufzuzeigen. Damit will ich nicht die Leistung und die technische Genialität untergraben. Ich möchte mehr die menschliche Kreativität hervorheben. Oh und um das klarzumachen, ich bin nicht gegen KI-Tools. Ganz im Gegenteil. Ich nutze sie selbst. Aber genau das bringt mir deren Grenzen näher.

Tools kommen und gehen, werde besser hat aber irgendwann eine natürliche Optimierungsgrenze. Der kreative schöpferische Geist bleibt und wächst grenzenlos, wie die weiten des Universums (so das war es, pathetischer wird’s nicht).

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Rouven B. Hills

Digitaler und Systemischer Designer
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